
Lajos Talamonti
Performing Arts
theatrale Experimente
kooperative Arbeit seit 1997
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Liebe Besucher*innen,
hier findet ihr eine Sammlung von Selbst-Nachrufen und Rückzügen, von Kolleg*innen im Zuge der aktuellen kulturpolitischen Gegebenheiten.
Tom Mustroph
(Noch ein) Nachruf aus dem (Kultur-)Maschinenraum
Liebe Mit-Juror*innen, liebe Künstler*innen, liebe Mitarbeiter*innen der Kulturverwaltung, liebes Publikum, was ist schöner als ein selbstbestimmter Ausstieg aus Zwangslagen? Natürlich ein erweiterter Ausstieg daraus. Und weil mein guter aller Freund Lajos Talamonti die aus der Tristesse der Bittsteller-Förderantragsteller geborene Idee der konsequenten Selbstentfernung, verbunden mit den dementsprechenden Nachrufen, nun tatsächlich öffentlich umsetzt, kann ich mich ja nicht zurückhalten. Das ist in meinem Falle weniger schmerzhaft als etwa in seinem. Ich ziehe mich schließlich nur als Juror zurück – in diesem Falle aus der Jury für die Arbeits- und Recherchestipendien der freien darstellenden Künste. Aber angesichts der bereits beschlossenen und der weiter avisierten Kürzungen im Kulturbereich in Berlin möchte ich nicht weiter als gut geöltes Rädchen in der Verteilung des Mangels rotieren.
Der Mangel wird angesichts der für 2025 beschlossenen und für weitere Jahre im Raum stehenden Kürzungen eher noch größer werden, Spielräume für eine inhaltlich begründete Impulssetzung für Projektvorhaben – was ja das eigentliche Ziel unserer Jury ist – dürften hingegen noch kleiner werden.
Im letzten Jahr wurden allein im Kontext unserer Jury 666 Projektvorhaben eingereicht, von denen 526 den formalen Kriterien entsprachen. Aus diesem Konvolut (die Antragssummen lagen zwischen 4000 und 8000 Euro pro Antrag) konnten wir letztendlich nur 46 bewilligen, das sind 8,75% der formal korrekten Anträge. Die Förderquote im Verhältnis zu den von den Künstler*innen selbst für jeweils angemessen erachteten Projekte – niemand schreibt schließlich Projektanträge, die sie, er oder they für kompletten Schwachsinn hält – liegt bei kargen 6,9%. Proaktive Kulturpolitik bestünde auch darin, das Verhältnis von künstlerischem Potential in dieser Stadt und den Infrastrukturen, die es am geeignetsten nutzen können, auszuloten und die Bedingungen dafür zu verbessern. Die 6,9% stehen deshalb schon als Symbol für einen strukturellen Mangel vor dem aktuellen Tanz des Rotstifts.
Aus unserer Jurydiskussion ist mir noch erinnerlich, dass wir ein Mehrfaches der Anzahl der letztlich geförderten Projekte für sinnvoll und das kulturelle Angebot dieser Stadt ganz sicherlich bereichernd und damit für förderwürdig gehalten haben. Aber natürlich beugt man sich, so schmerzhaft es auch im Einzelfall sein mag, den Grenzen, die durch den Etat bestimmt werden. Bevor nun das Verhältnis von beantragten Projekten und im Rahmen des Budgets realen Fördersummen in den Promille-Bereich, und damit ins Reich des komplett Lächerlichen, abrutscht, möchte ich jetzt dieses Warnsignal absetzen und von Bord springen. Nicht weil es mir darum geht, ein sinkendes Schiff zu verlassen und selbst wie auch immer rettende Ufer zu erreichen. Sondern weil mir ein Mitmachen beim Verwalten den größer werdenden Mangels absurd und unmoralisch erscheint.
Bisher hatte die Jurytätigkeit auch proaktive Elemente. In meine Zeit in der Jury für Einzelprojekt-, Spielstätten- und Basisförderung fielen – auf Anregung eben unserer Jury – die ersten Versuche, das Feld für die Akquise europäische Fördergelder für die freie Darstellende Kunst zu bereiten, ein Mitwirken an der Geburtsstunde von PAP& Co. also. Gern hätte ich auch jetzt daran angeknüpft. Im gegenwärtigen politischen Klima wirkt das aber reichlich illusionär. Und als Phantast, dem der Gang in die Klinik angeraten wird, möchte man ja auch nicht gelten.
Gut, Kürzungen von 10% plus/minus einiger Einerstellen mögen auf den ersten Blick nicht so dramatisch erscheinen. Bei fragilen Strukturen können Einschnitte von 10%, oder jetzt eben
sogar 12% für die gesamte Berliner Kultur, allerdings die Wirkung von Kettensägen haben, die in Minutenschnelle Baumstämme durchtrennen.
Weiterer Faktor für ein Abspringen ist für mich die mangelnde öffentliche Debatte darüber, woher das Loch der 3 Milliarden Euro im Gesamthaushalt eigentlich kommt. Noch im April diesen Jahres verkündete die regierende Koalition, dass im laufenden Haushalt 2024 statt zuvor prognostizierter 1,75 Milliarden Euro „nur noch“ 557 Millionen einzusparen seien, mithin etwa 2% des Gesamtetats. Was genau der Grund für die Einsparungen sei, wurde nicht detailliert veröffentlicht. Für 2025 ging die Koalition damals von einer, wie es finanztechnisch hieß, „Minderausgabe“ von 1,99 Milliarden Euro aus. Wie zwischen April und November aus zwei Milliarden Euro die aktuell die Kürzungen verursachenden drei Milliarden werden konnten, konnte oder wollte mir – auf Anfrage in meiner anderen beruflichen Konfiguration als Journalist – nicht einmal die Finanzverwaltung beantworten. Daher meine Fragen nun in den öffentlichen Raum eingebracht: Woraus genau setzen sich die Minderausgaben, also das einzusparende Volumen im Haushalt, zusammen? D.h. die ursprünglich 1,75 Milliarden Euro für 2024, die dann im April ganz wundersam auf 557 Millionen Euro zusammenschrumpften, die drei Milliarden Euro für 2025, die im April noch 2 Milliarden waren? Wie lassen sich die Differenzen zwischen den Zahlen im April und jetzt erklären? Plötzliche Schatzfunde für 2024, ganz überraschend auftretende Löcher für 2025? Oder lag es an mangelhaftem Lesen von Bilanzen, also stark fehlerhaftem Verwaltungshandeln? Oder liegt der Grund in einer Täuschung der Öffentlichkeit aus polittaktischen Gründen? Eine Klärung dieser Abläufe ist einfach notwendig, um ein Minimum an Vertrauen in die Berliner Politik wiederherzustellen. Sonst werden die in der von Lajos Talamonti begonnenen Initiative der sich selbst Nachrufenden sicherlich viel, viel mehr werden.
In diesem Zusammenhang, und das geht jetzt direkt an Sie, Herr Senator Joe Chialo, vermisse ich die Umsetzung des so großspurig in Szene gesetzten neuen Titels der von Ihnen angeführten Senatsverwaltung. Sie heißt ja seit Ihrem Amtsantritt „Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt“. Den „gesellschaftlichen Zusammenhalt“ darf man dabei auch ruhig mal halblaut aussprechen, die Silben auf der Zunge zergehen und im Mundraum nachhallen lassen – und dabei darüber sinnieren, ob nicht genau die Art und Weise, in der Sie und ihre Senatorenkolleg*innen die Kürzungen vollziehen und eben nicht fachlich begründet kommunizieren, zu dem Auflösen jedweden Zusammenhalts und damit zu zunehmender Spaltung, auch Lähmung, schließlich Abkehr und Protest führen?
Daher: Sollte die seinerzeit von Ihnen initiierte Namensumbenennung dieser Verwaltung aufgrund eines politischen Programms oder Projekts Ihrerseits erfolgt sein, so muss man konstatieren, dass dieses Projekt krachend gescheitert ist. Konsequenzen wären entweder eine Umbenennung der Verwaltung. Nicht eine Rückbenennung, nein! Angesichts des jüngsten Handelns Ihrerseits wäre „Senatsverwaltung für die konsequente Abschaffung von Kunst und Kultur“ ein wohl treffenderer Vorschlag. Die zweite Konsequenz wäre ein sofortiger Rücktritt von Ihnen selbst.
Mit traurigen Grüßen Tom Mustroph
Lajos Talamonti
Ein Selbst-Nachruf zum Abschluss des Geschäftsjahres 2024
Liebes Publikum, liebe Mitschaffende in den kulturellen Einrichtungen, liebe Kolleg*innen und langjährige Vertraute, liebe Bürger*innen,
vor kurzem haben mein Freund Tom und ich darüber gesprochen, ob es nicht angebracht wäre jeden Tag einen Nachruf zu verfassen auf alle die, die aufgeben, oder mit diesem Gedanken spielen.
Nicht, dass ich diesen Gedanken in den vergangenen 30 Jahren nicht immer mal wieder gehabt hätte. Das gehört dazu. Das angekündigte Spardiktat bis 2026, wenn nicht länger (denn woher sollte dann eine mirakulöse Wende kommen?) ist eine sehr lange Zeit. Stellen wir uns also ein auf einige Jahre als Hungerkünstler und starten dann, wenn das Land wieder richtig in die Produktion geht, voll durch. Möchten wir das wirklich glauben? Bis dahin jedenfalls werden Strukturen zerschlagen sein und Biographien gebrochen. Ich bin jetzt fast 57 Jahre alt und habe nicht vor, die kommenden Jahre in Agonie zu verbringen. Da bin ich jetzt und ich stelle den Betrieb ein. Ich habe meine Mitgliedschaft beim LAFT gekündigt, ich werde keine Anträge mehr stellen bei den Fördermittelgebern. Ich fühle mich nicht vertreten, ich will nicht mit Leuten demonstrieren, die als Expert*innen auf Podien sitzen und in Hinterzimmern bessere Deals für ihr Haus herausholen, ich kämpfe nicht für den Status quo ante. Seit sich die Freie Szene „professionalisiert“ hat, ist Stück für Stück der Geist der Zusammenarbeit potenziell aller mit allen geschrumpft, hat der Kampf jeder gegen jeden zugenommen, ist die Selbstorganisation und Handlungsfähigkeit der Künstler*innen geschrumpft. Das Gute an diesen zahnlosen Pseudoprotesten ist, dass sich zeigt, wieviele vereinzelte Machtlose sich dort entgeistert anschauen. Das Zusammentun dieser Vereinzelten, in den Künsten, im Sozialen, der Bildung, der Ökologie, dass ist interessant. Dafür gibt es ohnehin keine Förderung, die Schubladen lassen es kaum zu.
Wenn ich auf meine innere Stimme höre, dann flüstern sie auch mir das verinnerlichte Credo der vergangenen 30 neoliberalen Jahre zu (siehe Richard Sennett), die da sagt: tja mein Lieber, du hast es einfach nicht geschafft, gefragt genug zu sein. Hättest du dich mal besser vermarktet. Oder: hättest du mal bessere Kunst gemacht, eine, die wirklich alle haben möchten. Andererseits hat mein Freund Hans-Werner gesagt: man muss nur lange genug dabei bleiben, dann schafft man es auch wohin. In meinen 30 Jahren ist vieles Erstaunliches geschehen, das ist fast wie „geschafft“ – aber „wohin“ geschafft? Ein Beispiel: vor 3 Jahren habe ich mit meinen ehemaligen Studienkollegen zusammen den „Alten Hasen“ produziert. Das war eine sehr erfolgreiche Produktion. Erfolgreich, weil für Spielende und Teilnehmende gleichermassen beglückend. Aus der ist exakt nichts Nachhaltiges entstanden, wenn ich es karrieremäßig betrachte. Wiederaufnahme ja (sehr schön, 4 Vorstellungen und 400 Teilnehmende mehr). Trotz eines gewissen Verkaufstalents und tollem Projekt: geht leider nicht auf Tour, keine Mittel, keine Strukturen, keine Nachhaltigkeit. Alles mit jedem Projekt wieder auf Null. Null, dass ist im Kreis herum. Wie die Gedanken in einer Depression. Karriere, das kommt von den Pferden, die in der Manege im Kreis geführt werden, wo man sie anschauen kann, ob sie einen guten Gang haben, oder zackeln. So immer im Kreis herum, das ist nicht a Priori was Schlechtes, man muss aber das Führungspersonal, das die Leinen hält, so halbwegs akzeptieren. Beziehungsweise hoffen, dass der Gaul überhaupt noch aus der Box darf.
In 2023 hat es etwa 360 Anträge auf Einzelprojektförderung gegeben. Davon wurden etwa 26 Projekte gefördert. Dazu kommen „automatisch“ noch ein paar Drop-outs aus der Basisförderung. 26 Projekte, das sind etwa 7% der Antragstellenden, diese Rechnung haben die Kollegin Tanja und ich Anfang des Jahres mal in Brief-Form dem Herrn Kultursenator übergeben. Die Jury hat ihre eigene Arbeit unter diesen Bedingungen als fragwürdig beschrieben. Das bedeutet für einzelne Antragsstellende eine Chancenverteilung von etwa alle 14 Jahre ein gefördertes Projekt. Bei einem Honorar von etwa € 7000.- für die Projektinitiator*in (bitte nicht zu pingelig nachrechnen!). Für mich als Einzelkünstler kommt die Quote summa summarum hin in der Berliner Einzelprojektförderung. Jetzt kann man sagen: Wie soll das denn gehen, diese Rechnung stimmt doch nicht, das hättest du doch nie und nimmer überlebt!? Stimmt! Nun, man ist eben – wie sagt man – breit aufgestellt und in den Genuss besserer Förderbedingungen durch zB. eine Gruppenzugehörigkeit gekommen. Einige Glückliche haben eine fast jährliche/mehjährige Erfolgsquote. Das ist cool. Nichts desto trotz, das sollen also die fetten Jahre gewesen sein, die mit der „Alimentierungsmentalität“. Jetzt kommen die, wo man mal zeigen soll, ob man auf dem Markt taugt.
Den Markt, ja gibt es den überhaupt? Gut, Bildende Kunst, das taugt als Spekulationsobjekt und Anlage, aber Darstellende Kunst?! Die verschwindet doch sofort wieder, die ist ein Phantom. In Ermangelung handfester Kriterien am ehesten noch in „ein Haus“ investiert. Vor Portalen kann man auch gut Foto’s von sich machen. Klar kann man sagen: ja wenn da aber nur so wenige Leute hin wollen (im Gegensatz zu „König der Löwen“), das ist kein gutes Geschäftsmodell. Im fiskalischen Frühling, da leisten wir uns das (ist ja recht günstig), im Winter legen wir es auf Eis. Aber von der Schule sagt man ja auch nicht, da gehen zu wenige freiwillig hin, dann kann das in harten Zeiten vom Markt. Wir spielen unsere Produktionen nicht in Kostümen mit Gazprom-Logo und in Bühnenbildern von Flight Emirates. Wir spielen auch keine „Mouse Trap“ seit 1952. In der Freien darstellenden Kunst nütz aggressives Marketing und PR wenig.
Nicht alles Zwischenmenschliche ist ein Tauschhandel, den man quantifizieren kann. Manches dient dazu, sich als die Gesellschaft zu entwerfen, die man sein könnte, nicht nur zur Spannungsabfuhr durch Weglachen. Sparsamkeit ist der Normzustand, nichts was jetzt gelernt werden muss. Das Berliner Sparen jedenfalls ist eine Umbuchung hin zum Bürgergeld des Bundes. Wo Engagement war, wird Warteschleife mit Ressentiment. Sehr clever. Genau der richtige Moment, Hungerkanzler Brüning lässt grüßen. Es soll ja im Kapitalismus eine produktive Zerstörung geben. Weggefegt wird, von dem behauptet wird, dass es ohnehin kaum jemand braucht. Es gibt aber auch eine destruktive Zerstörung, das ist, wenn Produktives für die schnelle Mitnahme ausgeschlachtet wird. Wie George Tabori schon sagte: Theater entsteht, wenn tot gesagt, in irgend einem Keller neu. Aber welche Aufzeichnungen kommen aus den Kellerlöchern der kommenden Jahre?
Wenn ich mich heute verabschiede, dann nicht weil es mal leichter war, oder weil es zu viele ungesunde 14 Stunden Tage gibt, sondern weil es würdelos ist, die eigene Bedeutung als Freischaffender immer vollmundiger überbetonen zu müssen. Dann heißt es: „Selbstüberschätzung der freien Szene“. Das ist peinlich. Ich habe getan, was ich getan habe, aus freien Stücken, mit der nötigen Balance aus Selbstinfragestellung, Selbstanpreisung und Selbstironie. Dabei möchte ich es gerne belassen. Alle die Vielen, die weiter machen, haben meinen Respekt. Leid tut mir an diesem Selbst-Nachruf nur, dass ich damit der aktuellen Politik und ihrer Prioritätssetzung in die Hände spiele: weniger Künstler, weniger Anträge, weniger Konkurrenz. Vielleicht reichen die Mittel dann?! Ungut ist auch, dass ich damit die Erzählung von den Künstlern, von denen es anscheinend zu viele gibt in dieser Stadt, bestätige, dass es gar nicht verkehrt ist, wenn die sich „produktive“ Arbeit suchen, anstatt sich durch die Förderinstrumente zu fressen.
Wenn also Künstler aufgeben, dann ist das ein bisschen wie in der Story vom Flugzeug, das in den Anden abstürzt. Da sind dann ein paar Insassen weg. Für die Leute außerhalb der Absturzgemeinschaft gibt es deshalb ein paar Chancen mehr. Und innerhalb der Absturzgemeinschaft führen die „Sachzwänge“ dazu, dass irgendeiner gefressen werden muss, damit die Aussichten der übrigen ein wenig steigen. Im besten Falle führt das zum Auffinden der Überlebenden (inclusive schamhaftem Verschweigen des Not-Kannibalismus), im schlechtesten finden später die Archäologen ein paar Knochen von allen, die angenagten, wie die kompletten. Um aufs engere Thema wieder zurück zu kommen: Es ist dann auch egal, warum etwas nicht geklappt hat, ob wegen der Jury, wegen mangelndem Support eines Hauses, knapper Mittel, oder weil gerade was anderes Hip ist. Es kommt am Ende auf das Selbe raus. 30 Jahre lang waren das immer die Hürden, die genommen werden wollten und auch wurden.
Gerne gehe ich hier ein paar Menschen und Stationen namentlich ab, von denen ich so viel gelernt habe, mit denen ich soviel Arbeit, Freude, Euphorie und Schweiß, Kater und Geistesblitze erlebt habe und diese verrückte Freiheit. Da ist meine erste Ausbildung zum klassischen Tänzer, meine Umschulung als Assistent an der Volksbühne, die Leitung des Theatersaals im Kunsthaus Tacheles, meine Freundschaft zu Forced Ents, Gesine, meine Jahre bei den Navigators, meine dort begründete Freundschaft und Zusammenarbeit mit Martin in so vielen Projekten mit so vielen Zitaten, angefangen mit Ersatzverkehr, dem zweiten Zuhause in den Sophiensaelen, die mehr als 10 Jahre mit Regine und Hans-Werner im HAU, 10 Jahre mit Nina und Till und Lisa im Dienste der Partizipation, der Spieleentwicklung, Jan-Philipp und Tanja, Bettina, Werner, Georg, Corinne, die Gastspiele und Kooperationen mit Schwankhalle, FFT, Zeitraumexit, HochX, dem TD mit Georg und Michael, Ausflüge ins Staatstheater, Ausflüge auf Festivals all over Europe (ja, das war mal einfacher!), die jungen Erwachsenen im NOKK, in der Parkaue, und dann noch die vielen Performances auf Strassen und Plätzen und Bussen, und alle, die nicht namentlich erwähnt werden, die es ermöglicht haben, die die über 45 Stücke und Projekte mitgedacht und mitproduziert und mitrealisiert haben, und die vielen Freundschaften und produktiven Begegnungen, die weiter in mir wohnen.
Anstatt still zu verschwinden, schicke ich diesen Selbst-Nachruf in die Runde und ermutige alle, die ebenfalls nicht mehr wollen, dies auch zu tun. Aus welchem Motiv auch immer.
Ich für meinen Teil mache Schluss, weil ich nicht mehr so unerbittlich willensstark sein möchte, so wütend und nicht so verbittert, nicht so resigniert, so manisch durchhaltend. Meine Lust und Inspiration ist ja dadurch nicht weg, ich will die aber nicht dergestalt kaputt machen. Ich habe auch nicht vor, die Bedingungen dadurch zu legitimieren, indem ich durchhalte against all odds. Das hat es ja alles gegeben, aber das ist nicht die Idee. Die Idee war immer, mit anderen und mit sich in gutem Kontakt zu sein, das entstehen zu lassen, was man gemeinsam zu vollbringen im Stande ist, über sich, die Realitäten, Hindernisse und eigenen Grenzen hinaus zu wachsen, etwas zu entdecken, von dem man keine Vorstellung hatte, etwas zu tun, das Sinn ergibt, weil man drin aufgeht, weil es trägt, weil da etwas ist, zwischen uns, etwas, das wir teilen, das es uns möglich macht, dass wir teilen. Teil davon sind auch alle die gekommen sind, um dabei zu sein. Und: es ist OK, wenn das eigene Theater mit der Zeit verschwindet.
Ihr Lieben, ich bin kein Purist, ich bin weiter ansprechbar und tue mich gerne zusammen. Ich mach gerne mit, ich hab ja nichts anders gelernt (nur die vielen Fähigkeiten aus 30 Jahren unternehmungslustiger Selbstständigkeit). Ich bringe alle noch offenen Projekte in 2025 zu Ende. Es wird auch wieder was entstehen. Wie das geht dann? Wird sich zeigen. Ob man sich das leisten kann? Ja kann man sich denn den Zustand jetzt leisten?! Für mich ist es ein guter Moment, um los zu lassen, nicht aus Gebrechlichkeit, Krankheit oder Leere, Erfolglosigkeit oder irgendeiner anderen marktwirtschaftlichen Lyrik, sondern aus Selbstbestimmtheit und der Absage an Zwänge, Zermürbungstaktiken und Selbstschädigungen. Ich kann meine Kreativität sicher anders einsetzen als sinnlos Anträge auszuarbeiten, einzupflegen und wegzuwerfen, oder in endlosen Konferenzen noch was Minimales rauszuholen. Wenn ich weiter wütend sein wollen würde, dann würde ich vom Generalstreik aller Berliner Häuser träumen. Aber da machen die Häuser nicht mit. Also mach ich nicht mehr mit. Ein content provider geht aus der Produktion.
Zur Nachahmung empfohlen.
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TD Berlin 14.07. - 16.07.2025
jtw Spandau 21. + 22.07.2025
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